Verspüren Sie manchmal oder sogar häufig eine innere Leere, eine tiefe Traurigkeit oder das Gefühl, gesellschaftlich abgeschnitten zu sein? Der Kontakt zu anderen Pflegenden und konkrete Unterstützungsleistungen können Sie dann entlasten.
Einsamkeit: Risikofaktoren für pflegende Angehörige
In Deutschland sind Millionen Menschen von Einsamkeit betroffen. Wie viele genau, dazu gibt es keine konkreten Zahlen. Das liegt auch daran, dass Vereinsamung noch immer ein Tabuthema ist. Betroffene sprechen nicht gerne darüber, dass ihnen soziale Kontakte fehlen und sie sich nach mehr Miteinander sehnen. Einsamkeit kann grundsätzlich jeden Menschen treffen, unabhängig vom Alter. Allerdings gibt es gewisse Risikofaktoren, die das unangenehme Gefühl fördern.
Dazu zählen unter anderem:
- Armut,
- Arbeitslosigkeit,
- gesundheitliche Beeinträchtigungen,
- keine oder wenig vorhandene soziale Kontakte,
- das Fehlen eines Lebenspartners.
Pflegende Angehörige kümmern sich aufopferungsvoll um ihr Familienmitglied. Das bedeutet meist, die eigenen Bedürfnisse zurückzunehmen – das gilt auch für soziale Kontakte. Einsamkeit stellt sich nicht über Nacht ein, sondern schrittweise, beispielsweise durch einen Anstieg der Pflegebedürftigkeit. Betroffenen fehlt es oft an Zeit und Energie. Manche Menschen verlernen, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und Selbstfürsorge zu betreiben. Hinzu kommt, dass pflegende Angehörige häufig eine Doppelbelastung durch Pflege und berufliche Tätigkeit haben – das schmälert die Motivation, soziale Kontakte wahrzunehmen, weiter.
Warum die Pflegesituation Einsamkeit noch verstärken kann
Jeder Mensch hat Grundbedürfnisse – dazu zählt auch das Bedürfnis nach Bindung oder Anerkennung. Befriedigen lässt es sich durch Treffen mit der Familie, mit Freunden oder Bekannten. Sich locker mit jemandem auszutauschen, tiefgründige Gespräche zu führen oder gemeinsame Unternehmungen zu planen – all das entlastet und macht glücklich.
Im Pflegealltag kommt aber genau dies meist zu kurz. Vielleicht bemerken Sie, dass Sie sich einsam fühlen, obwohl Sie viel Zeit mit Ihrem pflegebedürftigen Familienmitglied verbringen. Das ist nicht ungewöhnlich, denn die Pflegesituation gleicht oft mehr einer Zweckgemeinschaft. Hier stehen pflegerische und organisatorische Tätigkeiten im Vordergrund – in dem so künstlich geschaffenen Raum überlagern alltägliche Aufgaben den zwischenmenschlichen Austausch zunehmend. Hinzu kommt, dass einige Pflegebedürftige körperlich oder kognitiv nicht mehr in der Lage sind, aktiv zu kommunizieren.

Einsamkeit erkennen und begegnen
Wesentliche Grundbedürfnisse können im Pflegealltag schnell zu kurz kommen. 5 Anzeichen für und 5 Tipps gegen die Einsamkeit.
Wie fühlt sich Einsamkeit an?
Einsamkeit ist kein Zustand, sondern ein subjektives Gefühl – so kann es sein, dass ein Mensch sich in einer Situation einsam fühlt, ein anderer jedoch nicht. Wer einsam ist, nimmt eine wesentliche Abweichung zwischen den gewünschten und den tatsächlich vorhandenen sozialen Beziehungen wahr. Hier kommt es aber nicht vornehmlich auf die Anzahl der Kontakte an, die Qualität der Beziehungen ist viel wichtiger.
Das erklärt auch, warum Sie sich selbst in einem Raum mit vielen Menschen einsam fühlen können. Soziale Isolation und Einsamkeit ist übrigens nicht das Gleiche: Wer sozial isoliert ist, hat objektiv einen Mangel an sozialen Kontakten, dadurch muss aber nicht zwangsläufig ein Leidensdruck entstehen. Einsame Personen leiden hingegen unter dem Gefühl. Doch was empfinden Menschen, wenn sie einsam sind?
So kann sich Einsamkeit äußern:
- ein Gefühl von innerer Leere,
- ein vorhandener Eindruck von Ausgeschlossenheit,
- ein Gefühl von Trauer oder Verzweiflung,
- körperliche Symptome wie Müdigkeit, Schlafstörungen oder Anspannung.
Pflegende Angehörige geben manchmal an, dass die Einsamkeit ihnen fast körperlich wehtut. Eine Erklärung könnte sein, dass bei Einsamkeit und körperlichem Schmerz dieselben Regionen im Gehirn aktiv sind.
Anzeichen: So erkennen Sie, ob Sie einsam sind
Prüfen Sie, ob folgende Aussagen mehrheitlich auf Sie zutreffen. Ist das der Fall, raten wir Ihnen dazu, aktiv etwas in Ihrem Alltag zu ändern.
- Fühlen Sie sich manchmal verloren oder verlassen?
- Sind Ihnen Gefühle von innerer Leere oder tiefer Traurigkeit nicht fremd?
- Fühlen Sie sich ausgeschlossen?
- Haben Sie Probleme mit dem Einschlafen oder Durchschlafen?
- Würden Sie sagen, dass Sie keine Menschen in Ihrer Umgebung haben, an die Sie sich wenden können?
- Haben Sie den Eindruck, dass Sie nicht ausreichend Gesellschaft haben?
- Fühlen Sie sich keinem Menschen nahe?
- Leiden Sie darunter, dass Sie Ihre Familie oder Freunde nicht treffen können, wenn Sie das möchten?
- Haben Sie den Eindruck, dass Sie zu viel alleine sind?
Ein solcher Test kann nur eine Orientierung bieten. Verspüren Sie im Alltag regelmäßig tiefe Traurigkeit, wenden Sie sich am besten an Ihren Hausarzt, um eine mögliche Depression auszuschließen.
Handeln statt Hinnehmen: Warum Sie bei Einsamkeit tätig werden sollten
Die Einsamkeit hinterlässt Spuren – nicht nur psychische, sondern auch körperliche, wie viele Untersuchungen belegen. Personen, die über einen längeren Zeitraum einsam sind, entwickeln ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz. Außerdem kann die Lebenserwartung sinken.
Um Erkrankungen vorzubeugen und das eigene Wohlbefinden zu stärken, ist es daher wichtig, Einsamkeit entgegenzuwirken und ihr zu entgehen. Da Sie in der Pflegesituation eng eingebunden sind, ist ein gezielter Ansatz hier besonders wirksam.
5 Sofort-Tipps gegen Einsamkeit
Es gibt einige Tipps, mit denen Sie der Einsamkeit begegnen können. Hier setzen Sie am besten auf eine Kombination aus Entlastungsleistungen seitens der Pflegekasse und Aktivitäten, die einen „Tapetenwechsel“ bewirken.
Tipp 1: Auszeiten fest einplanen
Im Pflegealltag fehlt Ihnen die Energie, sich aufzuraffen und etwas zu unternehmen? So geht es vielen pflegenden Angehörigen. Im besten Fall planen Sie Aktivitäten bereits im Voraus und regelmäßig ein – so wissen Sie genau, was Sie an welchem Tag erwartet, und können sich auf Ihre Auszeit freuen. Wie wäre es, wenn Sie sich immer donnerstags mit einer Freundin im Lieblingscafé treffen oder einen Schwimmbadbesuch mit ihr einplanen? Möglicherweise können Sie auch einen Jahresurlaub mit Bekannten organisieren.
Tipp 2: Tauschen Sie sich aus
Das Gefühl, mit dem herausfordernden Pflegealltag nicht allein zu sein und Verständnis zu erfahren, tut gut. Mit Selbsthilfegruppen erhalten Sie die Möglichkeit, sich an festgelegten Terminen mit Gleichgesinnten auszutauschen. Eine flexiblere Lösung sind soziale Netzwerke – hier treffen Personen mit den gleichen Sorgen, Wünschen und Bedürfnissen aufeinander. Wenn Sie möchten, können Sie mit Ihren Kontakten einen Gesprächskreis ins Leben rufen, der sich wöchentlich via Videotelefonie hört und sieht.
Tipp 3: Den Freundeskreis neu beleben
Pflegende Angehörige leiden besonders darunter, dass der Freundeskreis nach und nach zusammenbricht. Das passiert oft still und leise – aus regelmäßigen Treffen werden unregelmäßige Verabredungen, die später ganz ausbleiben. Grund dafür sind häufig mangelnde Zeit und Flexibilität. Doch wie wäre es, wenn Sie ein offenes Gespräch mit Ihrem Freundeskreis führen? Erklären Sie, warum Sie nur zu bestimmten Zeiten die Pflegesituation verlassen können. Finden Sie gemeinsam heraus, wie eine gute Regelung aussehen könnte – vielleicht wäre ein Kaffeeplausch im Garten Ihres Angehörigen in der warmen Jahreszeit eine Alternative? Sprechen Sie auch offen über Gefühle: Machen Sie beispielsweise deutlich, dass Ihnen viel an der Freundschaft liegt.
Tipp 4: Neue Kontakte schließen
Nicht immer gibt es soziale Verbindungen, die wiederbelebt werden können. Manchmal sind Freundschaften verblasst oder man hat nicht mehr dieselben Interessen. Das ist jedoch kein Grund, weiterhin einsam zu sein. Es gibt viele Gelegenheiten, sich neue Kontakte zu suchen. Schauen Sie sich in Vereinen in Ihrer Umgebung um – gibt es hier ein Hobby, das Sie interessiert? Vielleicht können Sie auch an Stammtischen oder an gemeinsamen Aktivitäten in der Begegnungsstätte Ihres Wohnortes teilnehmen. Regionale Wohlfahrtsverbände und die Stadt selbst können Auskünfte zu bestehenden Angeboten erteilen.
Tipp 5: Beschäftigen Sie sich mit Projekten
Niemand sollte sich einsam fühlen müssen. Dieser Meinung ist auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das Orte für Gemeinsamkeit und gemeinsames Erleben fördert. Die verschiedenen Modellprojekte gegen Einsamkeit bieten Abwechslung im Alltag, um die Einsamkeit zu vertreiben. Neben Erzählsalons in plattdeutscher Sprache werden Sportvereine für das Thema Einsamkeit sensibilisiert. Daneben gibt es viele weitere spannende Projekte.
Eine Gelegenheit, Wertschätzung zu erfahren und sich eine Auszeit zu gönnen, ist auch die Woche der pflegenden Angehörigen in Berlin.
Ist Ihr Angehöriger auf eine Pflege angewiesen, können Sie für die Zeit Ihrer Abwesenheit die Tages- oder Nachtpflege und die Verhinderungspflege beanspruchen. Außerdem steht der Entlastungsbetrag für Betreuungsangebote wie etwa die Nachbarschaftshilfe zur Verfügung. Die Pflegekasse und Pflegestützpunkte beraten Sie gerne zu Pflegekassenleistungen, die Sie im Alltag entlasten.
Beratungs- und Hilfsangebote gegen Einsamkeit
Sie fühlen sich einsam? Dagegen können Sie etwas tun. Nehmen Sie folgende Informations-, Beratungs- und Hilfsangebote in Anspruch:
- Redezeit für dich: Ausgebildete, ehrenamtliche Zuhörer unterstützen unter anderem bei Einsamkeit und spenden Trost.
- Pflegestützpunkte: Lassen Sie sich zur Pflegesituation und Entlastungsleistungen beraten.
- Kompetenznetz Einsamkeit: Hier erhalten Sie gebündelte Informationen zu dem Thema Einsamkeit.
Einsamkeit ist kräftezehrend und psychisch belastend. Doch Sie müssen sich nicht mit dem Gefühl von innerer Leere und Traurigkeit abfinden. Vielen Menschen hilft es, über ihre Einsamkeit zu reden. In einem nächsten Schritt können Sie konkrete Entlastungsangebote beanspruchen. Unser Tipp: Gehen Sie das Thema Einsamkeit aktiv an und binden Sie soziale Kontakte wieder regelmäßig in Ihren Alltag ein.