Pflege von Angehörigen: So sichern Sie sich Ihre Rentenpunkte

Pflege von Angehörigen: So sichern Sie sich Ihre Rentenpunkte

Pflegende Angehörige leisten unschätzbare Arbeit – doch oft vergessen sie dabei ihre eigene soziale Absicherung. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, wie die Pflege von Familienmitgliedern, Nachbarn oder Freunden die Rente beeinflusst und wie sich pflegende Angehörige Rentenpunkte sichern können.

Eine Tochter sitzt mit ihrem pflegebedürftigen Vater auf einer Bank. Für seine Pflege kann sie Rentenpunkte bekommen.
GettyImages/Leylaynr
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    Insgesamt gibt es rund 5 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland. 4 von 5 pflegebedürftigen Menschen werden im häuslichen Umfeld versorgt. Um die Pflege leisten zu können, reduzieren pflegende Angehörige häufig ihre Arbeitsstunden oder geben Ihren Job auch ganz auf. Damit verlieren Betroffene wichtige Rentenpunkte und riskieren eine reduzierte eigene Rente oder – je nach Pflegedauer und eigener Erwerbsbiografie – sogar Altersarmut.

    Pflegende Angehörige verschenken oft Rentenpunkte

    Andrea S. pflegt seit fünf Jahren ihre Mutter zu Hause. Erst waren es nur wenige Handgriffe täglich, doch die gesundheitliche Situation verschlechterte sich nach einem Sturz erheblich und so übernahm Andrea immer mehr pflegerische Aufgaben. Schließlich kam ein ambulanter Pflegedienst zur Entlastung ins Spiel. Von ihm erfuhr Andrea, dass sie für ihre Pflegetätigkeiten Rentenpunkte bekommen kann. Und dass sie bereits drei Jahre unabsichtlich darauf verzichtet hat. Unwiederbringlich.

    So wie Andrea in unserem Beispiel geht es vielen pflegenden Angehörigen. Nicht selten müssen eigene Berufstätigkeit, Haushalt und Pflegetätigkeit unter einen Hut gebracht werden. Diese Situation birgt die Gefahr, das „Rententhema“ zu verdrängen oder auf eine ruhige Minute zu verschieben, die allzu oft nie kommt. Das Ergebnis: Weil sie anderen helfen, sind sie im eigenen Alter finanziell benachteiligt. Dabei können pflegende Angehörige unter bestimmten Voraussetzungen für ihre Pflegetätigkeit Rentenpunkte erhalten.

    Rentenversicherungsbeiträge erhalten als Pflegeperson

    In §44 SGB XI ist geregelt, dass pflegende Angehörige sich ihre Pflegetätigkeit anrechnen lassen können. Ziel ist keine Zusatzrente für geleistete Pflege, sondern eine Anerkennung der privaten Pflegeleistung und ein Ausgleich für den Ausfall von Rentenbeiträgen. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn die Pflegeperson ihre eigene Berufstätigkeit einschränkt, um die Pflege meistern zu können. Denn sie erwirbt dann im gleichen Zeitraum automatisch weniger eigene Rentenpunkte als sie das getan hätte, wenn keine Pflege nötig gewesen wäre.

    Die Pflegekassen gleichen Verluste von Rentenpunkten aus, indem sie geleistete Pflege von Angehörigen als Arbeitszeit werten und auf ein errechnetes fiktives Gehalt Rentenbeiträge für die pflegende Person an die deutsche Rentenversicherung abführen. Bei Renteneintritt erhält die Pflegeperson von der Rentenkasse entsprechende Anteile aus der Pflegezeit mit ausgezahlt.

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    Voraussetzungen für den Erwerb von Rentenpunkten bei der Pflege

    Nicht jede Pflegehilfe wird mit Rentenpunkten belohnt. Stattdessen gelten klare Kriterien, die bei der Bewertung zum Einsatz kommen:

    • Die pflegebedürftige Person wurde vom Medizinischen Dienst begutachtet und hat mindestens Pflegegrad 2.
    • Pflegepersonen pflegen nicht erwerbsmäßig, sondern ohne Lohn.
    • Die Pflege ist an mindestens 2 Tagen pro Woche nötig und beansprucht mindestens 10 Stunden pro Woche.
    • Die Berufstätigkeit einer Pflegeperson nimmt höchstens 30 Stunden pro Woche ein.
    • Angehörige pflegen dauerhaft, nicht nur kurz als Urlaubs- oder Krankheitsvertretung.
    • Pflegepersonen sind älter als 15 Jahre.
    • Sie beziehen selbst keine volle eigene Rente.
    • Pflegepersonen haben ihren Wohnsitz in Deutschland, einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums oder in der Schweiz.
    Gut zu wissen

    Häufig reichen pflegebedürftige Menschen das von der Pflegekasse ausgezahlte Pflegegeld an pflegende Angehörige weiter. Dies dürfen Pflegepersonen weiterhin annehmen. Es zählt nicht als Lohn und die geleistete Hilfe damit nicht als erwerbsmäßig.

    Erwerb von Rentenpunkten in sehr unterschiedlichen Pflegesituationen möglich

    Nicht nur die Pflege von Familienangehörigen wird mit Rentenpunkten belohnt. Auch wenn Sie Nachbarn oder eine Freundin pflegen, die nicht mit Ihnen verwandt sind, können Sie Ihre Pflegetätigkeit anrechnen lassen und damit Ihre Rentensituation verbessern. Wesentlich ist, dass die oben genannten Kriterien erfüllt sind.

    Es können auch mehrere Personen gepflegt werden, um auf mindestens 10 Stunden pro Woche zu kommen, die für die Anrechnung der Pflegezeit nötig sind. Pflegen Sie wöchentlich z. B. 7 Stunden Ihre Mutter und 4 Stunden Ihre Tante, beide mit mindestens Pflegegrad 2, können Sie Rentenbeiträge erhalten. Dieses Modell nennt sich „Additionspflege“.

    Manchmal kümmern sich mehrere Pflegepersonen um eine pflegebedürftige Person, z. B. 2 erwachsene Kinder um ihren kranken Vater. Wenn beide Pflegenden die Voraussetzungen erfüllen, also jeweils 10 Stunden pro Woche und 2-mal wöchentlich die Pflege übernehmen sowie maximal 30 Stunden ihrem eigenen Beruf nachgehen, können auch beide anteilig Rentenansprüche geltend machen.

    Menschen in Rente, die ihren Partner oder ihre Partnerin pflegen, können keine weiteren Rentenpunkte sammeln, solange sie 100 Prozent ihrer Rente erhalten. Mit der Option der „Flexi-Rente“ ergibt sich aber die Möglichkeit, zusätzliche Rentenpunkte zu erwerben. Die Pflegeperson reduziert für die Dauer der Pflege ihre Rentenbezüge um 0,01 Prozent und lässt sich 99,99 Prozent auszahlen. Diese „Teilzeitrente“ müssen Betroffene erst bei der Rentenversicherung beantragen und die Bestätigung der Rentenversicherung im nächsten Schritt an die Pflegekasse weitergeben.

    Wie werden die Rentenpunkte für die Pflege von Angehörigen berechnet?

    Die Berechnung der Rentenpunkte richtet sich nach der Art der Pflegeleistung, die der pflegebedürftige Mensch erhält (Pflegegeld, Pflegesachleistung oder eine Kombination von Pflegegeld und Pflegesachleistung) und dem Pflegegrad, den der Medizinische Dienst festgestellt hat. Daraus ergeben sich Prozentsätze, die auf eine feste, von der Rentenversicherung festgelegte Bezugsgröße angewandt werden. Klingt kompliziert und ist es auch. Aber es ermöglicht, den Pflegeaufwand einer privaten Person gerechter zu bewerten.

    Beispiel für die Berechnung von Rentenpunkten für die Pflege

    Andrea S. pflegt ihre Mutter mit Pflegegrad 3 und erhält Unterstützung von einem ambulanten Pflegedienst. Stephan W. pflegt ebenfalls seine Mutter mit Pflegegrad 3, verzichtet aber auf einen ambulanten Pflegedienst und die pflegebedürftige Mutter erhält von der Pflegekasse nur Pflegegeld. Stephans Pflegeaufwand wird höher gewichtet, da er die Pflege alleine leistet. Er sammelt während einer gleich langen Pflegephase mehr Rentenpunkte als Andrea S.

    Gut zu wissen

    Bis einschließlich 2024 gab es unterschiedliche Bezugsgrößen für die Berechnung von Rentenpunkten in Ost und West. Ab dem 1. Januar 2025 ist das vorbei. Die Bezugsgröße ist dann für alle gleich.

    Wer bezahlt die Rentenbeiträge für die Pflegeperson?

    Zuständig für die Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge für die Pflegeperson sind je nach Versicherung folgende Stellen:

    • Die Pflegekasse der pflegebedürftigen Person, wenn sie pflichtversichert ist.
    • Ein privates Versicherungsunternehmen, wenn der Pflegebedürftige privatversichert ist.
    • Eventuell Beihilfe oder Heilfürsorge, falls die pflegebedürftige Person solche Ansprüche hat.

    Wenn Sie nicht sicher sind, wenden Sie sich an einen Pflegestützpunkt, die Leitung Ihres ambulanten Pflegedienstes oder direkt an die Pflegekasse. Bedenken Sie: Nicht Ihre eigene Pflegekasse ist gefragt, sondern die Pflegekasse der pflegebedürftigen Person, die Sie zuhause versorgen.

    Gut zu wissen

    Beihilfeberechtigt sind z. B. pensionierte Beamte und Richter, Anspruch auf Heilfürsorge haben häufig Feuerwehrleute, Polizistinnen und Polizisten sowie ehemalige Mitglieder der Bundeswehr.

    So machen Sie Ihre Ansprüche auf Rentenpunkte geltend – Schritt für Schritt

    1) Pflegegrad beantragen oder Höherstufung prüfen

    Tritt ein Pflegefall neu ein oder die Pflegesituation verschärft sich, ist eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD) nötig. Erst wenn Pflegegrad 2 (oder höher) festgestellt wird und mindestens 10 Wochenstunden Pflegeaufwand belegbar sind, können Sie als pflegende Angehörige Rentenpunkte für die häusliche Pflege beantragen und geltend machen. Daher ist die Klärung der Pflegebedürftigkeit meist der erste Schritt auf dem Weg zur Beantragung von Rentenpunkten.

    2) Informieren Sie die Pflegekasse über Ihre Pflegetätigkeit

    Nur wenn die Kasse über Ihren Einsatz in der häuslichen Pflege Bescheid weiß, können Rentenbeiträge für Sie übernommen werden. Kümmern Sie sich also so bald wie möglich um diese Meldung. Wenn Sie hier Zeit verlieren, kostet Sie das wertvolle Rentenpunkte und damit bares Geld. Rentenpunkte können erst ab Eingang des Antrags geltend gemacht werden, nicht rückwirkend.

    3) Fragebogen ausfüllen

    Füllen Sie den „Fragebogen zur Zahlung der Beiträge zur sozialen Sicherung für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen“ aus. Dieses Dokument fragt alle relevanten Informationen für Ihr Anliegen ab und kommt meist automatisch mit Formularen, die den Pflegegrad und eine Begutachtung betreffen. Liegt dieser Fragebogen nicht vor, z. B. weil Sie die Pflege zu einem Zeitpunkt übernehmen, an dem mindestens Pflegegrad 2 bereits vorliegt, können Sie das Formular bei der Pflegekasse Ihres Angehörigen anfordern.

    4) Anerkennung der Pflegezeit beantragen

    Haben Sie den Fragebogen ausgefüllt und dort Ihre berufliche Situation und Ihren pflegerischen Aufwand geschildert, reichen Sie das Dokument bei der Pflegekasse Ihres Angehörigen ein und beantragen die Anerkennung der Pflegezeit und die Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge. Nun wird der Antrag von der Pflegekasse geprüft und Sie werden über das Ergebnis informiert.

    Sind alle Voraussetzungen erfüllt, berechnet die Pflegekasse Ihres Angehörigen die Ihnen zustehenden Rentenbeiträge und führt diese automatisch an die Rentenversicherung ab. Ihr Punktekonto bei der Rentenversicherung wächst und sie können sich wieder ganz auf die Pflege konzentrieren.

    Wird Ihr Antrag auf Rentenpunkte für die Pflege abgelehnt, prüfen Sie nochmals die Voraussetzungen für die Anrechnung von Pflegeleistungen. Wenn Sie die Ablehnung nicht nachvollziehen können, fragen Sie nach Gründen für die Entscheidung. Vielleicht muss der Pflegeaufwand deutlicher dokumentiert werden. Das können Sie erreichen, indem Sie auf den im Gutachten des Medizinischen Dienstes vermerkten Pflegeaufwand hinweisen oder ein Pflegetagebuch einreichen. Auch ein Widerspruch ihres pflegebedürftigen Angehörigen gegen ein zweifelhaftes Ergebnis der Begutachtung kann sich lohnen.

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