Nachbarschaftshilfe für Pflegebedürftige und Angehörige

Nachbarschaftshilfe für Pflegebedürftige und Angehörige

In ländlichen Dorfgemeinschaften heißt Nachbarschaftshilfe, zusammenzustehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Handwerker verstehen unter Nachbarschaftshilfe eher kleine Gefälligkeiten oder sogenannte Freundschaftsdienste, also das Erbringen gewisser Arbeiten ohne oder gegen ein geringes Entgelt. Pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen eröffnet die Nachbarschaftshilfe hingegen eine Chance auf Entlastung im Alltag – mit finanzieller Unterstützung der Pflegeversicherung.

Nachbarschaftshilfe: Ein älterer und ein deutlich jüngerer Mann gehen spazieren.
GettyImages/Maskot

Werner H. ist davon überzeugt, dass er ohne das soziale Engagement und die Unterstützung der ihm helfenden Menschen nicht mehr zuhause leben könnte. Seit einem Schlaganfall vor zwei Jahren ist er pflegebedürftig und kann keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen. „Ich kann nicht mehr Auto fahren“, berichtet er und ergänzt: „das müsste ich aber, um in meinem Beruf weiterzuarbeiten.“ Zudem schränken ihn eine Schwäche im rechten Arm und eine Sehbeeinträchtigung im Alltag ein. „Meine Frau hilft mir sehr, doch sie kann nicht alles machen.“

Schon in der Zeit seiner Rehabilitation erfolgte die Feststellung eines Pflegegrades und die Familie organisierte einen ambulanten Pflegedienst. Zusätzlich und ein echter Zugewinn ist die Unterstützung im Alltag durch den Nachbarschaftshelfer Paul. Er betreut Werner H. stundenweise und übernimmt auch notwendige Fahrdienste.

„Ohne Paul kämen meine Frau und ich nicht zurecht“, ist Werner überzeugt. „Er fährt mich überall hin, wenn meine Frau arbeitet.“ Zudem helfe Paul auch mal kurzfristig aus, wenn es mit den Terminen zu viel werde oder Werner H. unerwartet zum Arzt müsse.

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Nachbarschaftshilfe: Entlastung für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige

Paul findet, dass es selbstverständlich sein sollte, jemanden wie Werner H. im Alltag zu unterstützen, damit er in seiner gewohnten Umgebung leben kann. Nachbarschaftshelfer wie Paul entlasten so Pflegebedürftige, aber auch pflegende Angehörige, die durch die dauerhafte Pflegebedürftigkeit eines nahestehenden Menschen stark unter Druck stehen können, wie etwa Werners Frau Brigitte. Dabei ist Paul nicht einfach ein helfender Nachbar – Paul ist Nachbarschaftshelfer im Sinne des Sozialgesetzbuches.

Nachbarschaftshelfer sind einerseits ehrenamtlich tätig, das heißt sie nehmen eine „gesellschaftliche Aufgabe im Gemeinwohlinteresse ohne Einkunftserzielung“ wahr. Zugleich besteht aber die Möglichkeit, Nachbarschaftshelfern wie Paul mithilfe des Entlastungsbetrages, der Pflegebedürftigen von ihrer Pflegekasse zusteht, eine Aufwandsentschädigung zu zahlen.

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Rechtliche Grundlage: Nachbarschaftshilfe für Pflegebedürftige gemäß SGB XI

Die rechtliche Grundlage der Nachbarschaftshilfe für Pflegebedürftige bildet das SGB XI. Im §45a heißt es: „Angebote zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten, und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können.“ Die Nachbarschaftshilfe unterstütze bei der „eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen“.

In Abgrenzung zu den Leistungen der ambulanten Pflege, haben Nachbarschaftshelfer wie Paul etwa viel Zeit für ein Gespräch, helfen beim Einkauf oder übernehmen wie bei Werner H. die Begleitung zu Arztterminen oder bei Freizeitaktivitäten wie Treffen mit ehemaligen Arbeitskollegen.
Entlastung durch Nachbarschaftshilfe kann gelingen, wenn sich die pflegebedürftige und die helfende Person gut kennen und die Unterstützung auf Dauer angelegt ist.

Ländersache: Regelungen zur Nachbarschaftshilfe variieren stark

Die Ausgestaltung der Nachbarschaftshilfe hat der Gesetzgeber an die Bundesländer übergeben. Dort regeln die Landesverordnungen etwa, welche Qualifikationen Nachbarschaftshelfer für Pflegebedürftige benötigen, wo und wie sie sich registrieren müssen und welche Aufgaben sie übernehmen dürfen und welche nicht. Hinzu kommen weitere Vorgaben, beispielsweise über die Höhe der möglichen Aufwandsentschädigung oder die Zahl der pflegebedürftigen Personen, die Nachbarschaftshelfende betreuen dürfen.

Im Fall von Werner H. erfüllt sein Nachbarschaftshelfer Paul die Auflagen seines Bundeslandes: Er darf nicht mit Werner H. in der gleichen Wohnung leben und auch nicht mit ihm verwandt sein. Beide Voraussetzungen sind erfüllt.

Zudem hat Paul sich über einen speziellen Kurs für das Ehrenamt qualifiziert und sein Zertifikat zusammen mit anderen Nachweisen bei der zuständigen Registrierungsstelle des Landes eingereicht. Er muss nun darauf achten, dass er nicht zu viel Zeit mit Werner H. verbringt, denn auch dafür gibt es in seinem Bundesland eine Grenze.

Da die Vorgaben zur Nachbarschaftshilfe so unterschiedlich sind, lässt sich kaum pauschal sagen, welche Aufgaben Nachbarschaftshelfende übernehmen dürfen und welche ausgeschlossen sind. Manche Verordnungen lassen viel Spielraum, andere hingegen regulieren bis ins Detail, verbieten zum Beispiel ausdrücklich die gemeinsame Gartenarbeit. Wer sichergehen will, welche Aufgaben als Nachbarschaftshilfe anerkannt sind, sollte sich im eigenen Bundesland genauer informieren.

Aufgaben der Nachbarschaftshilfe (Beispiele)

Finanzierung: Entlastungsbetrag für Unterstützung im Alltag

Wie erwähnt fällt die Nachbarschaftshilfe unter das Ehrenamt, das per Definition nicht der Einkunftserzielung dient. Manche Bundesländer betonen dies in ihren Verordnungen explizit. Dennoch können die für Pflegebedürftige erbrachten Unterstützungsleistungen in Form einer Aufwandsentschädigung abgegolten werden, um die freiwillige, ehrenamtliche Hilfe anzuerkennen.

Hierzu kann der Entlastungsbetrag verwendet werden. Dieser steht unterstützungs- oder pflegebedürftigen Menschen mit Pflegegrad 1 bis 5 in häuslicher Pflege zu und kann allgemein „zur Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags“ sowie explizit für „Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag“ genutzt werden. Aktuell können über den Entlastungsbetrag bis zu 125 Euro im Monat abgerufen werden.

Abrechnung: Stundengenau und zweckgebunden

Wie hoch die einzelnen Aufwandsentschädigungen ausfallen, ist aber einmal mehr in den jeweiligen Länderverordnungen geregelt. Unabhängig von der Höhe sind Nachbarschaftshelfende verpflichtet, die entsprechenden Einnahmen in der Steuererklärung anzugeben, auch wenn sie bei Unterschreiten bestimmter Grenzen steuerfrei bleiben.

Da Paul als Nachbarschaftshelfer registriert ist, kann Werner H. hier den ihm zustehenden Entlastungsbetrag in Anspruch nehmen. Deshalb führt Paul einen Stundennachweis und reicht einmal monatlich eine Abrechnung bei der Pflegekasse von Werner H. ein.

Gut zu wissen

Pflegeaufgaben, wie die Unterstützung bei der Körperpflege oder das Anreichen von Medikamenten, gehören übrigens nicht zur Nachbarschaftshilfe für Pflegebedürftige. Es ist gut zu wissen, welche Erkrankungen die zu betreuende Person hat und mit welchen Beeinträchtigungen sie lebt. Doch sollte dies nicht dazu führen, dass aus einer Nachbarschaftshilfe eine pflegerische Unterstützung entsteht.

Lebensqualität: Zugewinn für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige

Die Nachbarschaftshilfe ist ein Zugewinn. Sie ermöglicht eine kleine Entlastung im Alltag für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige. Zudem können Nachbarschaftshelfer das Miteinander stärken, soziale Kontakte unterstützen und so einen wertvollen Beitrag im Zusammenleben leisten. Sie können das Leben zuhause für eine pflegebedürftige Person aufwerten und dazu beitragen, das Wohlbefinden und die Lebensqualität zu verbessern. Wie Sie eine geeignete Nachbarschafshilfe finden, verraten wir Ihnen in unserem Serviceartikel „Nachbarschaftshelfer finden: Wo Sie suchen können und worauf Sie achten sollten„.

Nachbarschaftshelfer werden

Vielleicht möchten Sie wie Paul als Nachbarschaftshilfe aktiv werden. Erste Informationen erhalten Sie bei den örtlichen Pflegestützpunkten. Zusätzlich haben verschiedene Bundesländer eigene Webseiten eingerichtet, die sämtliche Informationen zur Nachbarschaftshilfe bündeln. Alles Wesentliche auf einen Blick haben wir Ihnen in unserem Servicebeitrag „Nachbarschaftshelfer werden: Das Wichtigste auf einen Blick“ zusammengetragen.

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