Inkontinenz und Demenz: Wie eine Angehörige die Herausforderung meistert

Inkontinenz und Demenz: Wie eine Angehörige die Herausforderung meistert

Bei einer Demenz kann es zu einer Blasen- und auch Darmschwäche kommen. Die Inkontinenz ist belastend – für die Betroffenen und auch die Angehörigen. Eine Ehefrau berichtet, was ihr in dieser Situation geholfen hat.

Eine Frau hält die Hand ihres Mannes, der an Inkontinenz erkrankt ist.
GettyImages/LightFieldStudios

Zunächst kam es nur hin und wieder vor. Meistens, wenn sie unterwegs waren und Rolf auf die Schnelle keine Toilette fand. Katja R.* dachte sich nicht viel dabei. Ihr Mann ist schließlich 73 Jahre und an Demenz erkrankt. Da kann es schon mal passieren, dass etwas danebengeht. Oft war dann auch wieder Wochen Ruhe. Doch mit der Zeit kam es immer häufiger vor, dass ihr Mann einnässte. „Ich war nicht erschrocken“, sagt die 57-Jährige, „aber ich war zunehmend genervt. Ich dachte, er muss es doch einhalten können.“

Inkontinenz beginnt meist schleichend

Bald schaffte Rolf es auch zu Hause häufig nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette. „Wenn mein Mann sagt, er muss, dann muss er sich schon ziemlich beeilen, um noch rechtzeitig auf die Toilette zu kommen“, erzählt Katja. „Sobald er liegt oder sitzt, merkt er nicht, dass er muss. Aber wenn er aufsteht, geht es ganz schnell. Das ist ein durchgehendes Immer-Problem.“

Katja versuchte es zunächst mit Inkontinenzeinlagen. Doch die warf Rolf einfach weg. „Irgendwann habe ich mit ihm gesprochen und gesagt: ‚Schau mal, wie viel ich jeden Tag waschen muss. Wir müssen auch an die Energiekosten denken‘“, berichtet Katja. „Ich sagte: ‚Versuch es doch mal mit Pants.‘“ Dieses Inkontinenz-Hilfsmittel hatte ihr der Pflegedienst empfohlen. Es lässt sich wie eine Unterhose an- und ausziehen und eignet sich besonders für Menschen mit Demenz. Aber auch das wollte Rolf erst mal nicht. So legte Katja die Pants einfach auf den großen Unterhosen-Stapel in die Kommode. Mit diesem kleinen Trick klappte es, dass ihr Mann überhaupt ein Inkontinenz-Hilfsmittel akzeptierte.

Um weiter zusammen in die Stadt gehen oder Ausflüge machen zu können, bestellte sie einen WC-Schlüssel für ihren Mann. Diesen Tipp bekam sie von Bekannten. Mit einem WC-Schlüssel haben behinderte Menschen Zugang zu barrierefreien öffentlichen Toiletten in ganz Europa. Auch installierte sie eine Toiletten-App auf ihrem Handy. Diese zeigt ihr an, wo die nächste Toilette ist, und navigiert sie direkt dort hin.

Inkontinenz bei Demenz – es gibt viele Ursachen

Rolf ist alles andere als ein Einzelfall. Schreitet eine Demenz voran, sind Probleme mit der Toilettenbenutzung oder eine Inkontinenz häufig. Nach fünf Erkrankungsjahren ist bereits jeder zweite Mensch mit Demenz von einer Inkontinenz betroffen, nach acht Jahren sind es sogar vier von fünf. Dabei kann eine Harninkontinenz vorliegen, bei der es ungewollt zum Abgang von Urin kommt, oder eine Stuhlinkontinenz. Manche Menschen sind auch von beidem betroffen, dann spricht man von einer doppelten Inkontinenz. Die Ursachen sind vielfältig:

Folge der Demenz: Oft vergessen die Betroffenen es, auf die Toilette zu gehen, oder sie wissen nicht mehr, wo sich diese befindet. Sie können die körperlichen Signale nicht mehr klar deuten oder haben Schwierigkeiten, sich mitzuteilen. Ein möglicher Grund ist auch eine eingeschränkte Mobilität. Dann schaffen sie es motorisch nicht schnell genug, die Toilette zu erreichen.

Medizinische Gründe: Ursachen für eine Inkontinenz sind zum Beispiel Harnwegsinfekte, Probleme mit der Prostata oder eine Verstopfung (bei Stuhlinkontinenz). Auch Erkrankungen wie Schlaganfall, Diabetes mellitus oder Parkinson können eine Inkontinenz bedingen.

Bestimmte Medikamente: Entwässerungstabletten können zum Beispiel eine Inkontinenz fördern, aber auch Schlaftabletten und angstlösende Medikamente, da diese die Blasenmuskulatur entspannen. Auch verstärken bestimmte Getränke wie Cola, Kaffee und Tee den Harndrang.

Hindernisse in der Umgebung: Ein weiter Weg zur Toilette oder ungünstige Kleidung mit Gürtel oder Knöpfen können den Toilettengang erschweren und ein Einnässen kurz vor der Toilette begünstigen.

Wenn ein Mensch mit Demenz unter Inkontinenz leidet, ist es wichtig, den Haus- oder einen Facharzt aufzusuchen. Einige Ursachen können gut behandelt werden.

Kennen Sie schon unsere kostenlosen Online-Pflegekurse?
ap--demenz-kurs
Module: 5
Dauer: 150 Minuten
Demenz: Alltagsgestaltung und Begleitung
Unser Online-Pflegekurs zeigt Ihnen, wie es gelingen kann, angesichts einer Demenzerkrankung selbstbestimmt zu bleiben und den richtigen Umgang mit Demenz zu finden.

Für beide Seiten belastend

Für die Betroffenen und ihre Angehörigen kann die Situation sehr belastend sein. Rolf ist es sehr unangenehm, wenn seine Hose oder das Bettlaken wieder nass ist. Er schämt sich und manchmal versucht er, die verschmutzte Wäsche vor seiner Frau zu verstecken. Für Katja ist die Situation ebenfalls anstrengend, vor allem durch die viele Wäsche und die häufigen Kleidungswechsel. Trotzdem weiß sie, dass ihr Mann nichts für seine Inkontinenz kann und dass ihm das Thema selbst peinlich ist. „Früher war ich schon mal sauer, wenn er neben die Toilette gemacht hat“, sagt sie. „Heute schaffe ich es, nicht zu schimpfen und liebevoll zu bleiben. Ich habe mich viel mit dem Thema Demenz auseinandergesetzt und weiß: Man sollte den anderen nie beschämen und immer seine Würde wahren.“

Nicht alle kommen mit der Situation so gut zurecht wie Katja. Das zeigt eine aktuelle Studie aus England. Bei vielen kann die Belastung so groß sein, dass spätestens mit einer beginnenden Inkontinenz der Umzug in ein Pflegeheim erwogen wird. Je weiter eine Demenz voranschreitet, desto eher kommt es vor, dass die Betroffenen sich an unpassenden Orten erleichtern, sich nach dem Toilettengang nicht ausreichend säubern oder unbeabsichtigt Fäkalien oder verschmutztes Toilettenpapier verteilen. Auch können sie Inkontinenzprodukte verweigern, Unterstützung bei der Intimpflege ablehnen oder aggressiv auf pflegerische Angebote reagieren.

Inkontinenz ist immer noch ein Tabuthema

Hinzu kommt: Vielen Angehörigen fällt es schwer, über eine Inkontinenz zu sprechen, auch mit Freunden, Familienangehörigen oder medizinischen Fachkräften, wie die Studie zeigt. Einige fühlen sich schuldig und haben das Gefühl, ihren Angehörigen mit Demenz zu „verraten“, wenn sie sein „Geheimnis“ der Inkontinenz preisgeben. Das bedeutet aber auch, dass die Angehörigen mit der Situation allein sind und keine Unterstützung erfahren.

Auch Schäden im eigenen Zuhause werden als belastend erlebt, wie verschmutzte oder riechende Teppiche, die viele Wäsche und die finanziellen Belastungen. Einige Angehörige machen sich selbst Vorwürfe, wenn es trotz aller Mühen doch zum Einnässen kommt. Manche erleben auch einen richtigen Widerwillen, die Inkontinenzpflege zu übernehmen, oder Frust, weil es keine klare Ursache für die Inkontinenz gibt.

Inkontinenz und Demenz – Tipps für die Pflege zu Hause

Nachdem Rolf die Pants tagsüber akzeptiert hatte, tauchte das nächste Problem auf: In der Nacht zog er die Pants häufig aus, sodass sein Bett am nächsten Morgen nass war. Katja dachte über einen Overall mit einem Reißverschluss am Rücken nach, damit Rolf ihn nicht ausziehen kann. Aber sie hatte kein gutes Gefühl dabei. „Ich wollte seinen Freiraum nicht zu sehr einschränken“, sagt sie. „Auch dachte ich: Wenn er schwitzt oder sich unwohl fühlt, muss er die Kleidung doch selbstständig ausziehen können.“

So behalf sie sich mit einem Kunststoffbezug, der zum Schutz der Matratze unter dem Spannbetttuch liegt. Den kann sie bei Bedarf mit Spülmittel abwaschen. Und sie hat mittlerweile viele gute Spannbetttücher, die sie in der Waschmaschine bei 90 Grad kochen kann. Zusätzlich legt sie zur Vorsicht noch eine saugstarke Inkontinenzunterlage auf das Bett. Überhaupt sind gute Hilfsmittel sehr wichtig, findet sie. Sie hat nun einen Nachtstuhl bestellt. Denn mittlerweile hat Rolf Schwierigkeiten, nachts den Weg zur Toilette zu finden.

Herausfordernd wurde es für sie, als zusätzlich Probleme mit der Stuhlausscheidung auftauchten. „Das war nicht durchgehend, aber es gab immer wieder Kotschmierereien“, erzählt Katja. „Wenn es mit der Verdauung nicht klappte, hat er schon mal mit den Fingern gepult, dann war das Bett oder die Wäsche verschmiert. Manchmal hat er auch verschmutzte Tücher versteckt, damit ich es nicht mitbekomme.“ Oder sie fand Kotkügelchen auf dem Boden, die er durch die Gegend geworfen hatte. „Das war eine schwere Zeit“, sagt sie im Nachhinein.

Mittlerweile unterstützt sie ihn nach dem Stuhlgang beim Säubern der Intimregion. „Dadurch ist es viel besser geworden“, sagt Katja. „Er hat das allein einfach nicht mehr hinbekommen.“ Zusätzlich achtet sie darauf, dass ihr Mann eine gute Verdauung hat und ausreichend trinkt. Sie weiß, dass eine Austrocknung oder Verstopfung die Probleme verschlimmern können. Und wenn es nicht anders geht, hilft sie mit Flohsamen oder anderen pflanzlichen Mitteln der Verdauung auf die Sprünge. Auch achtet sie auf eine gute Hautpflege. Nach dem Stuhlgang wäscht sie ihn mit lauwarmem Wasser und pH-hautneutraler Waschlotion. Denn Stuhl wirkt aggressiv auf die Haut. Danach tupft sie die Haut vorsichtig trocken. Bislang ist es ihr trotz Doppelinkontinenz gelungen, Rolfs Haut frei von wunden Stellen zu halten.

So unterstützen Sie im Alltag

7 praktische Tipps, die Ihnen die Pflege zu Hause erleichtern: von der Begleitung auf die Toilette über passende Hilfsmittel bis zum Hautschutz.

Mit Auswahl von „Download anfordern“ stimmen Sie zu, künftig regelmäßig Informationen rund um die Pflege von Angehörigen zu erhalten. Die erteilte Werbeeinwilligung erfolgt im Gegenzug für den Erhalt des Downloads und ist jederzeit widerruflich. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.

Persönliche Grenzen wahren

Katja hat Rolf vor gut 17 Jahren kennengelernt. „Wir hatten zu dem Zeitpunkt beide eine sehr schwierige Zeit hinter uns und das hat uns eng verbunden“, erzählt sie. „Mit Rolf habe ich so viel Liebe, Wertschätzung und Würde erfahren wie nie zuvor in meinem Leben. Das macht es leicht, für ihn da zu sein.“

Sie pflegt ihren Mann gerne. Trotzdem weiß sie, dass manche Tätigkeiten eine Grenze der pflegenden Person überschreiten können. „Ich habe überraschenderweise keine Schwierigkeiten, ihm zu helfen, auch nicht beim Stuhlgang“, sagt sie. „Früher dachte ich immer, ich könnte das nicht.“ Trotzdem ist es aus ihrer Sicht wichtig, persönliche Grenzen zu wahren. Eine Pflege bei Inkontinenz sei eine sehr intime Angelegenheit, die viel mit der Beziehung zu tun hat. „Wenn man das nicht kann, sollte man es auch nicht machen.“

*Namen der Betroffenen geändert.

Hat Ihnen der Beitrag weitergeholfen?
Warum ist dieser Artikel nicht hilfreich?(erforderlich)
Je konkreter Ihre Kritik, desto besser können wir unsere Inhalte für Sie aufbereiten.