Freiheit oder Gefahr: Sollte Ihr pflegebedürftiger Angehörige noch Auto fahren?

Freiheit oder Gefahr: Sollte Ihr pflegebedürftiger Angehörige noch Auto fahren?

Ein Auto bedeutet Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstständigkeit – das ist auch bei Pflegebedürftigen nicht anders. Kommt es durch das Alter oder eine Erkrankung aber zunehmend zu Einschränkungen, ist es richtig und wichtig, die Fahrtüchtigkeit zu hinterfragen. Wie genau das funktioniert, welche Meldepflichten oder gesetzlichen Regelungen es gibt und was darauf hindeuten kann, dass Ihr Angehöriger Probleme mit dem Autofahren hat.

Wann sollten pflegebedürftige Angehörige das Auto stehen lassen: Ein Lenkrad und ein paar darum gelegte Hände.
GettyImages/byryo
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    Im Alter steigt das Risiko für eine Pflegebedürftigkeit – viele Pflegebedürftige, die mit dem Auto unterwegs sind, bringen also ein gewisses Alter mit.

    Insbesondere ältere Menschen müssen sich aber ohnehin häufig dem Vorurteil stellen, dass sie vergleichsweise oft in Unfälle verstrickt sind, aber ist das wirklich so?

    Auto und Alter: Verursachen ältere Menschen wirklich häufiger Unfälle?

    Das Statistische Bundesamt veröffentlichte dazu interessante Zahlen. Demnach tragen ältere Autofahrer häufiger die Hauptschuld an Unfällen mit einem Personenschaden als jüngere Menschen. Für das Jahr 2022 gilt: Personen mit mindestens 65 Jahren waren in knapp 69 Prozent der Fälle die Hauptverursachenden, bei den mindestens 75-Jährigen sind es sogar beinahe 77 Prozent.

    Dabei sind die Unfallursachen bei jüngeren und älteren Menschen durchaus unterschiedlich. Personen im Seniorenalter haben beispielsweise öfter die Vorfahrt missachtet oder ein Fehlverhalten beim Rückwärtsfahren, Wenden oder Abbiegen gezeigt, als Autofahrer unter 65 Jahren.

    Insgesamt sind ältere Menschen aber dennoch seltener an Unfällen im Straßenverkehr beteiligt als jüngere Personen. Vermutlich liegt das auch daran, dass in den entsprechenden Haushalten eben doch häufig kein Auto mehr vorhanden ist.

    Sollte Ihr Angehöriger noch Auto fahren?

    Nicht jeder Mensch mit einem Pflegebedarf ist automatisch fahruntauglich. Hat Ihr Angehöriger beispielsweise Diabetes oder Bluthochdruck, kann er durchaus ein Fahrzeug führen. Voraussetzung ist jedoch, dass etwaige Beschwerden die Teilnahme am Straßenverkehr nicht gefährden. Genau das kann bei einer Halbseitenlähmung nach Schlaganfall, bei Herzrhythmusstörungen, einer Epilepsie oder bei Gleichgewichtsstörungen allerdings der Fall sein.

    Neben körperlichen Erkrankungen können auch psychische oder kognitive Beeinträchtigungen eine Rolle spielen. Eine schwere Demenz kann etwa dazu führen, dass sich Ihr Familienmitglied an wichtige Verkehrsregeln nicht mehr erinnert und mit dem Auto ziellos durch die Gegend irrt. Eine akute Psychose oder eine ausgeprägte Depression kann ebenfalls zu einer Gefahr für Ihren Angehörigen und für übrige Verkehrsteilnehmer werden.

    Leidet Ihr Angehöriger also unter einer körperlichen, geistigen oder kognitiven Beeinträchtigung, ist es wichtig, die Fahrtauglichkeit in regelmäßigen Abständen einzuschätzen.

    Darf Ihr Angehöriger noch Auto fahren?

    Grundsätzlich sind Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, die in der Lage sind, körperliche und geistige Anforderungen zu erfüllen, und nicht erheblich oder wiederholt gegen Verkehrsvorschriften oder Strafgesetze verstoßen – so steht es im Straßenverkehrsgesetz. Für pflegende Angehörige sind diese und andere Gesetzestexte schwer greifbar, denn sie geben keine genaue Auskunft darüber, wann Menschen fahruntauglich sind.

    Tatsächlich kommt es hier auf den Einzelfall an. Um sich einen Überblick zu verschaffen, können Sie die Anlage 4 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr einsehen. Hier finden Sie Erkrankungen, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beeinflussen können.

    Unser Tipp: Begleiten Sie Ihren Angehörigen oder Ihre Angehörige zum Einkauf und stellen Sie einige Beobachtungen an: Macht Ihr Familienmitglied einen sicheren Eindruck? Kann Ihr Angehöriger ohne Probleme den Schalthebel betätigen und das Lenkrad drehen? Gelingt es der Pflegebedürftigen, vorausschauend zu fahren und Gefahrensituationen einzuschätzen?

    Auto oder kein Auto: Anzeichen für eine Fahruntauglichkeit

    Pflegesituationen ändern sich schnell. Letzten Monat hat Ihr Angehöriger vielleicht noch einen sicheren Eindruck hinter dem Steuer gemacht, heute bemerken Sie zunehmend Unsicherheiten. Insbesondere bei älteren Menschen mit einem Pflegebedarf ist es wichtig, die Situation regelmäßig neu einzuschätzen, das gilt auch für die Fahrtauglichkeit.

    Folgendes kann auf eine Fahruntüchtigkeit hindeuten:

    • Ihr Angehöriger oder Ihre Angehörige macht hinter dem Steuer einen überforderten Eindruck – das kann sich durch hektische Bewegungen, lautes Schimpfen oder eine merkliche Erschöpfung äußern.
    • Ihr Familienmitglied hat Probleme mit der Fahrzeugbedienung – beispielsweise durch schmerzende Gelenke oder Lähmungserscheinungen fällt es schwer, die Bremse zu treten, zu schalten oder das Lenkrad zu drehen.
    • Ihr Angehöriger hält sich nicht an Verkehrsregeln – er überfährt beispielsweise das Stoppschild oder beachtet die Vorfahrt nicht.
    • Ihr Familienmitglied macht einen verwirrten Eindruck – das kann sich durch ein planloses Umherfahren zeigen, vielleicht vergisst Ihr Angehöriger auch, den Blinker zu setzen.
    • Der Pflegebedürftige scheint andere Verkehrsteilnehmer nicht wahrzunehmen – er bremst im letzten Moment vor einem Zebrastreifen oder bemerkt erst spät den heranfahrenden Krankenwagen.
    • Ihr Angehöriger ist häufiger in kleine Unfälle oder „Beinahe-Unfälle“ verwickelt – davon erfahren Sie in Gesprächen oder sind hautnah dabei.
    Bei Unsicherheiten: Fragen Sie Ihren behandelnden Arzt

    Sie haben den Eindruck, dass Ihr Familienmitglied Schwierigkeiten mit dem Autofahren hat, sind sich aber nicht sicher, ob das für eine Fahruntüchtigkeit spricht? Dann thematisieren Sie Ihre Bedenken offen bei Ihrem Angehörigen und bitten Sie um ein gemeinsames Arztgespräch. Ein Mediziner kann objektiv beurteilen, ob eine sichere Verkehrsteilnahme möglich ist.

    Achtung: Die ärztliche Schweigepflicht gilt auch gegenüber Familienangehörigen wie Ihnen. Ihr Familienmitglied muss also nicht zulassen, dass Sie medizinische Informationen erhalten.

    Auto und Pflegegrad: Rechtliche Regelungen und Meldepflichten

    Die EU-Kommission spricht sich dafür aus, dass Fahrzeugführer, die das 70. Lebensjahr überschritten haben, ihre Fahrtauglichkeit unter Beweis stellen sollen. Das ist allerdings noch Zukunftsmusik, und auch in Deutschland gibt es aktuell noch keine gesetzliche Fahrtauglichkeitsuntersuchung für Senioren. Entscheidend für eine sichere Verkehrsteilnahme ist nämlich nicht das Alter, sondern der Gesundheitszustand.

    Doch was ist, wenn dieser zu einer Fahruntauglichkeit führt? Der behandelnde Arzt muss dem Erkrankten mitteilen, wenn sich eine mögliche Fahruntauglichkeit abzeichnet oder bereits besteht. Ihr Familienmitglied ist aber nicht dazu verpflichtet, die Behörden darüber in Kenntnis zu setzen. Eine ärztliche Meldung an die Führerscheinstelle erfolgt nur dann, wenn durch die Fahrzeugführung eine nicht abwendbare Gefahr, zum Beispiel für Leib und Leben anderer, besteht. Die Fahrerlaubnisbehörde muss dem Hinweis dann nachgehen und ein ärztliches Gutachten verlangen.

    Da es keine gesetzlich vorgeschriebenen regelmäßigen Überprüfungen der Fahrtauglichkeit gibt und Mediziner aufgrund der Schweigepflicht nur im Ernstfall eine Meldung vornehmen können, liegt der Schwerpunkt auf der Eigenverantwortlichkeit. Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Angehöriger oder Ihre Angehörige nicht mehr fahren kann oder sollte, sollten Sie tätig werden. Tipps für das anstehende Gespräch finden Sie in unserem Servicebeitrag „Ab jetzt ohne Auto: Wie bringe ich das meinem Angehörigen bei?„.

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