Die Woche der pflegenden Angehörigen tut das, was viel zu selten in diesem Land geschieht: Sie rückt die pflegenden Angehörigen in den Blick. Mehr noch, es wird der rote Teppich ausgerollt und bei einer Ehrengala werden Auszeichnungen an ausgewählte sorgende oder pflegende Angehörige verliehen. Und es gibt über eine Woche hinweg diverse Veranstaltungen, beispielsweise für Young Carer, also Kinder und Jugendliche, die sich zu Hause mit um ein erkranktes oder pflegebedürftiges Familienmitglied kümmern, eine Dampferfahrt oder Musikdarbietungen aus unterschiedlichen Kulturen.
In Berlin, wo es geschätzt etwa 230.000 pflegende An- und Zugehörige gibt, wurde diese Woche der pflegenden Angehörigen 2012 das erste Mal ausgerichtet – initiiert von der Fachstelle für pflegende Angehörige und unter der Schirmherrschaft des Berliner Senats. Andere Bundesländer wie Thüringen oder Sachsen folgen dem Beispiel mittlerweile.
Wir haben nach der Woche der pflegenden Angehörigen mit einigen Geehrten und Laudatoren gesprochen und sie gefragt, warum es solche Veranstaltungen braucht, warum es aktuell noch keine bundesweite Interessenvertretung für Laienpflegende gibt und wie pflegende Angehörige endlich gesellschaftlich und politisch Gewicht erhalten könnten.
Heike Bartmann: „Einen Angehörigen zu versorgen, heißt in der Regel, nie Feierabend zu haben“
Jana Böwing: „Die Politiker verlassen sich zu sehr auf das Pflichtbewusstsein und die Liebe der Angehörigen“
Fahima Abd El Baki: „Es ist an der Zeit, mehr Mitspracherecht zu bekommen“
Professor Dr. Thomas Klie: „Eine ‚Gewerkschaft‘ pflegender Angehöriger, sie fehlt in der Tat“
Sebastian Krumbiegel: „Es geht ja, wenn wir ehrlich sind, um Geld“
Christian Pälmke: „Der besondere Wert der pflegerischen Sorgearbeit spiegelt sich in der erfahrenen Wertschätzung nicht ausreichend wider“
Die Ehrengala mit Preisverleihung, die Ende Mai zum siebten Mal in Berlin stattfand, zeichnete sich durch Professionalität und eine hochkarätig besetzte Laudatoren-Riege aus. Doch auch, wenn dieses wichtige Signal dankbar von der Zielgruppe angenommen wurde, bleiben Fragen offen: Wie nachhaltig ist so ein Event und warum gibt es diese Veranstaltung angesichts von bundesweit geschätzt etwa 4,8 Millionen pflegenden Angehörigen nicht als zentrale Veranstaltung?
Pflegende Angehörige sind keine homogene Gruppe
Hier spiegelt sich das Dilemma wider, in dem die Laienpflege steckt: Pflegende Angehörige sind keine homogene Gruppe, verstehen sich selbst nicht immer als Pflegende oder Sorgende, fühlen sich aber dennoch allein gelassen. Und dass, obwohl sie als Gruppe doch immer wieder als „größter Pflegedienst Deutschlands“ bezeichnet werden und nicht selten unterstellt wird, dass unser Pflegesystem nur deshalb noch nicht kollabiert ist, weil das Selbstverständnis – einen hilfebedürftigen Zu- oder Angehörigen zu betreuen – in unserer Gesellschaft noch verbreitet ist.
Laienpflegende sind politisch nicht organisiert
Die Politik hat zwar Instrumente für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf geschaffen, zum Beispiel die Familienpflegezeit. Seit 2014 gibt es innerhalb der Bundesregierung gar das Amt eines bzw. einer Pflegebevollmächtigten. Und doch bleibt bei den Betroffenen der Eindruck, keine echte Vertretung zu haben, nicht gesehen oder gehört zu werden. So bleibt der Ruf nach einer Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige analog dem Elterngeld zwar nicht ungehört – wirklich aktiv geworden ist die Politik hier jedoch bislang nicht. Kein Wunder also, dass pflegenden Angehörigen manchmal die Kraft ausgeht – angesichts körperlicher Überforderung, der bürokratischen Hürden und nicht zuletzt der drohenden Armut durch Pflege.
Wer selbst einmal in einer Pflegesituation war, weiß, dass im Alltag kaum Zeit und Kraft bleiben, um für die Rechte und Belange Betroffener auf die Straße zu gehen oder sich zu organisieren. Bestenfalls schaffen Angehörige es, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen und die Treffen wahrzunehmen. Diese gegenseitige Unterstützung scheint ein wichtiges Instrument zu sein, Erfahrungen zu teilen und wertvolle Hinweise zu erhalten.
Leistung pflegender Angehöriger wird nur lokal honoriert
Noch immer werden Menschen, die sich trotz aller Belastungen und möglicher Nachteile teilweise jahrelang um ein pflegebedürftiges Familienmitglied kümmern, bei politischen Reformen nicht angemessen berücksichtigt. Auch gesamtgesellschaftlich werden sie viel zu selten wahrgenommen, obwohl sie doch an dieser Stelle eine tragende Rolle spielen. So lange sind es Initiativen wie die Woche der pflegenden Angehörigen, die immerhin einen Beitrag leisten, das Engagement auf lokaler Ebene zu honorieren – und den Diskurs zur Ausstattung dieser Bevölkerungsgruppe immer wieder anstoßen.